Das Dilemma des Politischen Geschäftsführers

Seit einigen Monaten gibt es eine breite Diskussion um die Person des Politischen Geschäftsführers (PolGF) der Piraten, Johannes Ponader. Man hört, Johannes soll zurücktreten. Er soll bleiben. Er macht alles schlimmer, er macht vieles richtig. Man kann an dieser Diskussion einiges kritisieren: Dass sie zu polemisch geführt wird. Zu einseitig oder dass sie zu öffentlich geführt wird. Ein Aspekt wird dabei jedoch offenkundig übersehen: Um das Amt des Politischen Geschäftsführers gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Wirbel. Sollte Johannes in der aktuellen Situation zurücktreten? Vermutlich wäre es das beste. Aber die schwierige Situation, in der er sich befindet, ist nur teilweise seine eigene Schuld. Denn das Amt ist mit einem inhärenten Konflikt behaftet, den zu entschärfen die Partei übersehen hat. Es ist unscharf definiert, zieht schillernde Persönlichkeiten an, ohne dabei spezifische Handlungsfelder und Arbeitsaufträge vorzugeben. Dabei würde sogar ein Rücktritt vom Amt möglicherweise nicht genügen, um eine Entspannung der Situation herbeizuführen. Ein Nachdenken über die Aufgaben des PolGF und die Struktur und Arbeitsweise des Bundesvorstands unter Berücksichtigung gewachsener Aufgaben und Aufmerksamkeit ist dringend notwendig. Dabei geht es mir nicht darum bestimmten Personen die Verantwortung für ihre Handlungen abzusprechen, sondern darauf hinzuweisen, dass Kritik an individuellem Handeln nicht immer reicht, um Lösungen für die Zukunft zu formulieren.

 

Der bislang inhärente Grundkonflikt des Politischen Geschäftsführers besteht darin, dass nicht klar definiert wurde, ob dieser nach innen oder nach außen wirken soll. Beides zugleich kann er nicht ausreichend. Schon allein aufgrund logistischer und zeittechnischer Probleme, aber auch aufgrund des berechtigten Bedarfs anderer Vorstandsmitglieder, sich zu profilieren. Um den Konflikt mit dem Amt des PolGF zu verstehen, lohnt sich ein Blick durch die Geschichte der Politischen GeschäftsführerInnen der Piratenpartei.

 

Fangen wir ganz vorne an: Laut der Gründungs-Satzung vom 10.09.2006 besteht der Bundesvorstand aus sieben Mitgliedern. Einer davon ist „der politische Geschäftsführer“. Näher ausdefiniert wurde dies nicht. Eine Diskussion um die konkreten Aufgaben findet sich im Gründungsprotokoll (PDF) nicht. Die erste offizielle Version einer Geschäftsordnung für den Bundesvorstand inkl. Aufgabenverteilung, die man im Wiki finden kann, ist vom 3. Juni 2007. Dort heißt es, der PolGF sei zuständig für Spendenwesen und Öffentlichkeitsarbeit, sowie zusammen mit dem Vorsitzenden für „Politische Geschäftsführung und Wahlvorbereitungen“. Der erste Politische Geschäftsführer war Jan Huwald. Ich lernte Jan auf dem Bundesparteitag in Hannover 2008 kennen. Er ist ein toller, ein ruhiger Mensch, der vor allem integrierend nach innen wirkt. In Hannover aber wurde bei seinem Rechenschaftsbericht frenetisch bejubelt, weil er kurz zuvor auf dem Heise-Panel der Cebit teilgenommen und sich dort akzeptabel geschlagen hatte. (Ja, unsere Ansprüche waren noch nicht so hoch und dieser eine Auftritt reichte der fast völlig unbekannten Partei damals schon, um im damaligen, sehr mittelmäßigen Bundesvorstand positiv aufzufallen.) Die letzten drei Monate seiner Amtszeit hatte er laut eigenem Bericht quasi pausiert, selbst das wurde ihm nicht angekreidet. Gewählt wurde in Hannover Bernhard Schillo aus Hamburg. Meine Erinnerung an die Tätgkeit von Bernhard in den nächsten 12 Monaten ist etwas getrübt. Meiner Wahrnehmung nach war er vor allem im Bereich Musik und Medienpolitik aktiv. Die Wahlvorbereitungen haben jedenfalls vor allem Andi Popp und Jens Seipenbusch organisiert. Im Protokoll des Bundesparteitags von Hamburg 2009 könnt ihr seinen Tätigkeitsbericht nachlesen.

 

Für Hamburg hatte sich Andi Popp (auf dem damals ein Großteil der organisatorischen Arbeit lastete) ein neues Konzept ausgedacht. Der Bundesparteitag hatte die sonderbare Angewohnheit, seine Unzufriedenheit mit dem jeweils Rechenschaftsbericht haltenden Bundesvorstand und seine Skepsis gegenüber Autoritäten auszudrücken, indem er die Ämter im BuVo immer wieder umänderte. So hatte jeder Pirat im BuVo einen speziellen Posten, den er auch nicht ändern konnte, wenn sich herausstellte, dass ein Tausch von Aufgaben sinnvoll erschien. Nun schlug Andi vor, im ersten Schritt die festen Amtsbezeichnungen aller Ämter außerhalb der laut Parteiengesetz notwendigen (Vorsitzender, Stellvertreter, Schatzmeister) abzuschaffen und stattdessen nur Beisitzer zu wählen. Im zweiten Schritt sollte dann festgelegt werden, welche Ämter grundsätzlich sinnvoll wären (z.B. IT-Pirat, Pressepirat, Meinungsbildungspirat usw.), um diese dann einzeln zu wählen, ihnen aber immer noch die Möglichkeit zu lassen, ihre Amtsbezeichnungen selbst zu wählen. Leider entschied der Parteitag nach der erfolgreichen Abstimmung von Schritt 1, dass man nun ohne Schritt 2 ja alle vier Beisitzer in einem Rutsch wählen könnte. Das geschah dann auch, so dass nun 2 am Bereich Öffentlichkeitsarbeit und 2 am Bereich IT interessierte Piraten die 4 Beisitzer wurden. Intern ließ sich dann Thorsten Wirth am 13.8.2009 zum PolGF ernennen, wobei der Bereich Medien explizit ausgeklammert und an den „Medienpirat“ Aaron Koenig übertragen wurde. Thorsten führte seine Amtsbezeichung jedoch kaum.

 

Anders hingegen sein Nachfolger. 2010 wurde in Bingen ohne große Satzungsänderungen ein neuer Vorstand gewählt. Wieder gab es mit Christopher Lauer einen neuen PolGF. Aufgrund seines Versprechens in Bingen, ein System zur Onlinebeteiligung – wie es das in Berlin damals schon gab – auf Bundesebene einzuführen, war klar, dass er sich vor allem um die innerparteiliche Meinungsbildung kümmern würde. Daher wurde „Parteiinterne Meinungsbildung“ als neuer Bereich hinzugefügt. Ansonsten war er auch weiterhin für das Spendenwesen und zusammen mit dem Generalsekretär für die Wahlkampforganisation zuständig. In der ersten Hälfte der Amtszeit kümmerte sich Christopher tatsächlich sehr intensiv um die innerparteiliche Meinungsbildung. LiquidFeedback wurde eingeführt und benutzt, um den Parteitag von Chemnitz vorzubereiten. Den ersten Parteitag in der Geschichte der Piratenpartei, auf dem kein Vorstand und keine Europaliste gewählt wurde. In der zweiten Hälfte nahm jedoch die Außenwirkung stark zu. Jens Seipenbusch war damals phasenweise nur schwer erreichbar und schuf damit ein Vakuum, dem Christopher bis zum Bundesparteitag im Mai 2011 in Heidenheim teilweise nachkam. Update: Der Vollständigkeit halber und weil es ja nicht jeder weiß sei erwähnt, dass Christopher aus seiner abwechselungsreichen Amtszeit als PolGF für sich persönlich die Konsequenz zog, als Bundesvorsitzender zu kandidieren. Seine Motivation dazu beschreibt er in diesem Blogpost und hier in seiner Rede ab Minute 2:43. (Schlüsselsatz: “Der Vorsitzende […] soll die Partei nach außen vertreten.”) Nachdem Sebastian Nerz zum Bundesvorsitzenden gewählt wurde, kandidierte er weder als Stellvertretender Vorsitzender, noch als PolGF oder auf ein anderes Amt.

 

In Heidenheim wurden dann erstmalig wieder Amtsbezeichnungen eingeführt. Inkonsequenterweise entschied man sich jedoch dafür, nun den PolGF zusammen mit einem Generalsekretär in der Satzung zu verankern, trotzdem jedoch 2 weitere Beisitzer ohne Verantwortungsbereich zu wählen. Marina Weisband trat spontan als PolGF an, versprach die innerparteilichen Meinungs- und Willensbildungsprozesse in der Partei zu optimieren und – wurde prompt auch gewählt. Die ersten sechs Monate ihrer Amtszeit wirkte Marina dann auch tatsächlich vor allem nach innen. Öffentliche Auftritte sind mir kaum in Erinnerung. Das sollte sich jedoch mit dem 1. Oktober 2011 dramatisch ändern. Da durfte die Piratenpartei nämlich, was ich schon im Bundestagswahlkampf 2009 erfolglos angefragt hatte: Es kam zum mittlerweile berühmten Auftritt in der Bundespressekonferenz . Dieser bleibt wohl vor allem in Erinnerung für die danach in Endlosschleife gespielten „Dazu haben wir noch keine Meinung“-Schnipsel . Für Marina bedeutete das den medialen Durchbruch. Die „tolle Frau mit fancy title“ (unbekannter Zitatgeber) hatte es den Medien derart angetan, dass sie zukünftig die meist angefragte Person in der Partei war. Das ging sogar so weit, dass manch einer sich weigerte, statt ihr auch mit dem Bundesvorsitzenden „vorlieb zu nehmen“. Nachdem man ein wenig versucht hatte, in diesem Prozess gegenzusteuern oder ihn zumindest abzumildern fuhr man hernach mit einiger Skepsis aber letztlich doch dem Segen des Bundesvorstands mit dem Wind. Die Politische Geschäftsführerin war fortan die Mediale Lautsprecherin der Partei, behielt jedoch offiziell ihre ursprüngliche Amtsbezeichnung bei.

 

In dieser immer noch hochgradig klärungs- und definitionsbedürftigen Situation wählten die Piraten nun in Neumünster 2012 nach Marinas Rückzug wieder einen neuen PolGF. Dies war nun effektiv der sechste Amtsinhaber in sechs Jahren. Noch immer war das Amt unbezahlt bzw. ohne bezahlte Zuarbeit. Gewählt wurde Johannes Ponader. Nach dieser Vorgeschichte sollte klar sein, dass Johannes nur erfolgreich sein konnte, wenn er es schaffte, sich klar für einen der beiden Aufgabenbereiche – Innenwirkung oder Außenrepräsentation – zu konzentrieren. Bei seiner Vorstellung betonte er allerdings bereits Bereiche und erklärte unter anderem, wie er die Mitgliederbeteiligung so verändern könnte, dass er selbst davon profitieren würde. Das umfasste zum Beispiel Ideen für Fast-Track-Abstimmungssysteme, durch die er in Sendungen die Basis direkt verbindlich zu aktuell diskutierten Themen befragen könnte. Er ließ also offen, welcher der beiden Schwerpunkte er einschlagen würde. Das war Fehler Nummer 1.

 

Johannes versuchte fortan auf vielen Hochzeiten zu tanzen. Dazu gehörten auch zahlreiche öffentliche Auftritte, also eine intensive Nutzung der medialen Präsenz, die das Amt des PolGF wohl vor allem deshalb genoss, weil die Medien es von Marina noch so gewohnt waren. Diese Präsenz war folgerichtig, aber deshalb nicht unbedingt logisch. Sie entsprach auch nicht unbedingt irgendeiner vom Parteitag beschlossenen oder vom Bundesvorstand geplanten Strategie. In der Folge gab es dann Konflikte, die sich um Johannes als Privatperson drehten. Im Oktober 2012 tagte der Bundesvorstand über ein Wochenende in Hamburg. Ziel war es auch, Probleme der Öffentlichkeitsarbeit strategisch anzugehen. Über das was genau in Hamburg passierte, gibt es verschiedene Versionen. Fakt ist aber, dass der Rest des Bundesvorstands Johannes (ebenso wie Julia) antrug, weniger Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und dass in den nächsten Tagen ein Streit eskalierte, als Johannes erklärte, er werde bald zu Benjamin von Stuckrad-Barre in die Sendung gehen. Nun mag man von den Vorgängen halten, was man will, und vielleicht das Vorgehen des Restvorstands als falsch, unmoralisch, intransparent oder wahlweise unfair bezeichnen. Faktisch aber war die Bitte – ob nun gewollt oder nicht – ein großartiges Angebot an Johannes, sein schwelendes Dilemma zu lösen, indem er sich klar für den Weg der Innenkommunikation entschieden hätte. Zu diesem Zeitpunkt war der nächste Bundesparteitag, auf dem das Programm erweitert werden sollte, gerade mal noch zwei Monate weg. Viel Arbeit also für einen PolGF, noch dazu für einen ehrenamtlichen. Dieses Angebot auszuschlagen war Fehler Nummer 2.

 

Nun wurde der Programmparteitag in Bochum von vielen Seiten als chaotisch, zäh und ineffektiv kritisiert. Das stimmt meiner Ansicht nach auch. Nur geht die Fehleranalyse in die falsche Richtung. Während das Ausarbeiten und Erweitern eines Parteiprogramms komplett über LiquidFeedback viele Vorteile birgt, ergeben sich dadurch wieder andere Nachteile. Ich habe das selbst erlebt. Ich war schon auf mehreren Parteitagen der Piratenpartei Österreich, die seit April 2012 LiquidFeedback verbindlich einsetzt und seitdem auf Parteitagen nicht mehr programmatisch diskutiert und damit viel Zeit spart. Trotzdem bleiben Parteitage immer noch auch wichtig, um einen grundsätzlichen Kurs zu bestimmen und Prioritäten zu setzen. Meiner Ansicht nach hätte genau das in Bochum passieren sollen. Nun wird niemand bezweifeln, dass es mehrere hundert, großenteils richtig gute Anträge gab. Das Problem war die mangelnde Vergleichbarkeit. Bei den Wirtschaftsanträgen gab es solche mit Modulen und solche ohne. Es gab ganz grundsätzliche und sehr detaillierte. Umfassende und Partikularfelder heraushebende. So war es dem Parteitag kaum möglich, tatsächlich gut informiert abzustimmen. Die Parteitagsleitung war völlig überfordert und die Mitglieder versuchten, das schlimmste zu vermeiden, indem sie die Debatten nach einem Mindestzeitraum an Diskussion abbrachen, aus Angst insgesamt zu wenig zu schaffen.

 

Es gibt sicherlich kein Patentrezept, wie man das alles besser hätte organisieren können. Ein sehr guter Ansatz waren die Themen- und Regionalkonferenzen, die im Vorfeld stattfanden. Leider waren diese zu wenige und kamen zu spät, um aus unvergleichbaren Anträgen noch vergleichbare zu machen. Auch trugen sie nur wenig dazu bei, um im Vorfeld schon Prioritäten zu setzen. Diese Ereignisse sind sicherlich zum Teil einem Vorstand geschuldet, der immer noch ehrenamtlich arbeitet, der dabei eine 30.000-Mitglieder starke Partei und die Ansprüche einer Bundestagsfraktion koordinieren und nach außen vertreten soll und zugleich als Ergebnis aus Hamburg in zahlreichen Streitereien festhängt. Zum Teil ist es aber auch das Ergebnis eines PolGF, der sich geweigert hat, den Weg der innerparteilichen Willensbildung als Schwerpunkt zu wählen. Daraus wird klar: Wenn man die kontinuierliche Weiterentwicklung innerparteilicher Meinungsbildungsprozesse, das Schaffen von konstruktiven Arbeitsräumen für Parteimitglieder und das Setzen von politischen Prioritäten als originäre Aufgabe eines PolGF begreift und bei der Bewertung dieser Aufgaben einen strengen Maßstab ansetzt, hätte Johannes am Tag nach Bochum zurücktreten müssen. Dass er es sich danach immer noch nicht schaffte, einen Schwerpunkt zu setzen, war Fehler Nummer 3, der allerdings kaum mehr ins Gewicht fiel.

 

Es ist nun dringend notwendig, sich über die Struktur des Bundesvorstands grundsätzlich Gedanken zu machen. Was die Piraten in Bingen 2010, Heidenheim 2011 und Neumünster 2012 gemacht haben, war ein Herumdoktorn ohne Strategie. In Hamburg wurden einfach zwei zusätzliche Beisitzer geschaffen. In Heidenheim wurden einfach faktisch existierende Ämter formal festgelegt. In Neumünster wurde ein zusätzlicher Beisitzer und ein zusätzlicher Stellvertretender Vorsitzender eingeführt. Der große Wurf war das alles nicht. Existierende oder sich anbahnende Probleme wurden einfach ignoriert. Wichtig wäre vor allem ein Nachdenken darüber, ob und in welcher Höhe man Bundesvorstände für ihre Arbeit entschädigen will. Eine LiquidFeedback-Diskussion darüber ergab, dass es ein Patt (234 zu 242) für die Bezahlung in Höhe von € 3500 gäbe, andere Varianten jedoch präferiert werden. Absurderweise schaffte jedoch die Initiative, die € 2500 vorsah nicht einmal das Quorum. Die Siegerinitiative (306 zu 131 Stimmen), die eine Entlastung durch bezahlte Nicht-Vorstandsmitglieder vorsieht, harrt noch ihrer Umsetzung.

 

Es gibt jedoch noch andere Modelle. All diese Modelle haben gemeinsam, dass sowohl die Frage nach der Bezahlung bzw. Ausstattung der Vorstände als auch die nach der Struktur bzw. Wahlverfahren gestellt werden und sie alle in beiden Bereichen Veränderungen bewirken würden. Zu nennen seien hier exemplarisch:

– Der ehrenamtliche Bundesvorstand stellt einen bezahlten vollzeit arbeitenden Geschäftsführer ein. Dieser hat kein Stimmrecht, sondern ist nur ausführendes Organ, aber zugleich mit Sprecherfunktion. Dies tun viele NGOs in der Größenordnung von 2.000 bis 20.000 Mitgliedern.
– Der Vorstand wird vom Parteitag gewählt. Er wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden des Bundesvorstands. Dieser arbeitet vollzeit, wird angemessen bezahlt und ist das Sprachrohr der Partei. Das tut die schwedische Piratenpartei. Es hat den Vorteil, dass ein Bundesvorstand auch selbst zwischen den Parteitagen Korrekturen vornehmen kann. Und es spart viel Zeit. Es hat den Nachteil, dass der Parteitag nicht mehr komplett entscheiden kann, wer Vorsitzende(r) wird. Konflikte des schwedischen Modells mit dem deutschen Parteiengesetz könnte man mit entsprechenden sprachliche Anpassungen vorbeugen.
– Der/die Bundesvorsitzende ernennt/schlägt vor einen Generalsekretär (bei den Piraten PolGF) seines/ihres Vertrauens. Die Bezahlung müsste noch geklärt werden. Das macht meines Wissens die FDP so. Das hat den Vorteil, dass klar ist, dass der PolGF und der/die Parteivorsitzende an einem Strang ziehen sollen und würde bestimmten Erwartungen der Medien entgegen kommen.
Es gäbe sicherlich noch zahlreiche weitere Modelle, die man sich vorstellen kann. Ich bin da kein Experte. Sicherlich ist keines davon perfekt. Aber ganz ehrlich: Wer würde behaupten wollen, dass die aktuelle Struktur perfekt ist? Und eine Diskussion darüber hätte den Vorteil, dass sie genau ist: Eine Diskussion. Vor allem eine, die nicht die Personen in den Mittelpunkt rückt, sondern an Strukturen arbeitet.

 

tl;dr: Ein Rücktritt Johannes Ponaders ist mittlerweile unausweichlich geworden. Die verfahrene Situation, in der er sich befindet, ist aber nur zum Teil seine Schuld. Die Partei hat es unterlassen, das Amt des Politischen Geschäftsführers trennscharf zu definieren. Sein Fehler war es, diese Trennung nicht selbst nachzuholen und Angebote dazu auszuschlagen. Die Struktur des Bundesvorstands bedarf jedoch grundsätzlicher Änderungen. Dazu gäbe es verschiedene Modelle, die diskutiert werden sollten.

30 Comments

30 Comments

  1. Hervorragender Beitrag zur Debatte.

    Das Fazit, dass Johannes auf jeden Fall zurücktreten muss kann ich (noch) nicht ganz teilen – er könnte sich auch umentscheiden und den Schwerpunkt auf interne Arbeit ändern.

    Ein Aspekt den du völlig ausblendest ist die unterschiedliche Programmatik der jeweiligen Personen: Johannes ist recht deutlich progressiv-links einzuordnen, wohingegen Sebastian und Bernd deutlich konservativer sind. Die Frage, wer die Außendarstellung übernimmt ist also auch die Frage, welche Inhalte nach außen hin Dargestellt werden. Meiner Erinnerung nach hat Johannes eine höhere Zustimmungsquote als die beiden anderen erreicht, sein Anspruch, Pressearbeit zu übernehmen ist also legitim. Und er hatte da ja durchaus erfrischende, teils experimentelle Ansätze (twitter beobachten während ner Talkshow, lqfb-Interviews etc).

    • Hi Jan,

      danke für deinen Kommentar. Das mit dem Umentscheiden wäre natürlich von Anfang an der bessere Weg gewesen. Die Wahrscheinlichkeit dass das jetzt noch passiert, ist mittlerweile wohl eher gering. Allein schon aus der Erfahrung der letzten Wochen. Ich sehe da auch keine Bereitschaft zu. Deswegen setze ich da nicht (mehr) drauf.
      Ja, sollte er nun oder sollte er nun nicht? Für einen Rücktritt gelten sehr unterschiedliche, persönliche Maßstäbe. Meine Sicht dazu: In besonders schwierigen Situationen sollte man doch vor allem schauen, welche Schritte welche Art der Besserung bringen können. Momentan birgt aber für Johannes von allen Nicht-Rücktritts-Varianten nur die Kurskorrektur eine Chance auf Besserung. Und selbst da (falls er das überhaupt will) gilt es zu fragen, wie glaubhaft er die Kursänderung machen kann. Ich denke, eher nicht (mehr) so glaubhaft. Wie siehts denn momentan aus? Johannes schlingert ja zwischen der Konfrontations- bzw. Über-die-Presse-spiel-Variante und dem Ziel, sich als linker und ursprünglicher darzustellen. Das bringt ihm zwar Punkte bei einigen Piraten, führt aber nicht zu einer Verbesserung und damit Lösung der Situation. Im Gegenteil verhindert es sogar ein zumindest mittelfristiges Management (also das vor der Lösung) der Situation. Er vergisst ganz einfach, dass es in solchen Situationen wichtig ist, den anderen Auswege zu schaffen oder anzubieten und steuert damit in eine Sackgasse. Daher ist die Variante Rücktritt wohl mittlerweile die einzige lösungsversprechende.

      Und zu den unterschiedlichen politischen Schwerpunkten als Ursache (das meinst du doch, oder?). Das halte ich für Quatsch. Die Arbeit des Bundesvorstands, in dem der Islamhasser, Iran-Bombardierer und spätere “Die Freiheit”-Gründer Stefan Koenig war, war deutlich entspannter und angenehmer. Soviel dazu.

      Aber mir ging es ja vor allem darum zu sagen, dass wir, auch wenn es momentan alles nicht so rosig aussieht, vor allem auf die Zukunft schauen müssen und überlegen, wie wir unsere Strukturen so umgestalten können, dass solche Situationen wie jetzt in Zukunft weniger wahrscheinlich werden.

      Gruß,
      Fabio

  2. Ich sehe die Gefahr, dass, wenn er jetzt zurücktritt, die Debatte dahingehend losgeht wer der Nachfolger, die Lichtgestalt, der Erlöser, irgendwas in der Richtung wird und wir dann den an den potentiellen Nachfolger gestellten Ansprüchen nicht gerecht werden können.

    Daher sollte man zunächst genau die Strukturfragen die du im Artikel stellst klären um auch zu definieren welche Ansprüche man an einen potentiellen Nachfolger hat und welche nicht. Solange diese Debatte aber nicht passiert (ist) halte ich einen Rücktritt von Johannes für kontraproduktiver als wenn er jetzt einfach die Füße stillhält und sich evtl. um die Organisation eines Wahlparteitages kümmert auf dem er dann nicht mehr antritt.

  3. Fabio – wie immer im ersten, 1/2 – 1h langen Gespräch bleibst Du bei der direkten Wahrheit, aber vergißt die Hälfte… und sowas wie strukturell Denken tuste schon gar nicht.
    Fakten:
    1. Bis zur Berlin/ 15Piraten-Wahl war die PP ne MarginalPartei mit unbewußtem BewegungsDrang.
    2. Gewonnen wurde Berlin über die Soziale- und Integrations-Einstellung, die die damals regierende Linke nicht mehr vermitteln konnte. BGE kam.
    3. Damit wurden gegenüber den Kopierrecht-Kernies auch die “Linken” wichtig.
    4. Gleichzeitig zog die Partei aber immer mehr Leute von den sich zerlegenden FDP und RechtsRadikalen-Leuten an, womit die Partei extrem auseinanderdriftete.
    5. Einzelne zu stark strahlende bis – sich und andere – verbrennende Persönlichkeiten wurden durch den MedienHype erst dorthin gepusht.. und damit die OrganisationsStruktur von außen informal geändert.
    6. Die beiden elementaren Stützen – MailingListe & Crew – konnten leider bis heute nicht in ein funktionierendes LQFB sowie eine organische, MENSCHliche MeinungsBildung (organische Transparenz) umgesetzt werden.
    FOLGERUNGEN:
    1. Sowohl bei MitgliedsBeiträgen wie bei (Mord)MobbingBeiträgen sollten PAV oder ..Ausschluß umgesetzt werden – wenn sich die Mitgliederzahl verzehntfacht schadet es nichts, 10-30% Egotripler rauszuschmeißen.
    2. Der Charakter einer Organisation für POLITISCHE MEINUNGsBILDUNG als Basis staatlicher Entscheidungen sollte stärker werden – zB “Thema des Monats”/.. was Afelia auf für sie typisch schwächliche, inkompetente, charmante und nur theoretisch gute Weise machte.
    3. Der gute Ponader ist eine harmlose Null und hat keine Ahnung, wie man mit vielen Menschen umgeht (direkt beobachtet), wenn der nicht vor Mikro oder Rampenlicht thront – Afelia ist ziemlich ähnlich histrionisch (theaterspielend) – Schmidtlepp einfach nur narzißtisch – und 2-5 des BuVo jetzt in der falschen Partei.
    4. VERANTWORTUNG für eigene Aufgaben sollte für echte Aufgaben direkte Pflicht werden – und jede Woche 2 BuVO auf Mumble Rede und Antwort stehen (MonatsRhythmus).
    5. Auch bzgl von BTW ist die Frage des BGE elementar wichtig – ohne prekäre NichtWähler und sozial denkende Alternative hat die PP (noch) keine Chance, womit LtwNds nicht Ponader, sondern Tirsales/ BuBernd anzulasten ist.
    6. Der absolut allergrößte Fehler war, nicht von Anfang an bei einer soooo konfrontativen Bewegung (zB VergewaltigungsAufrufe für Leyen-Kinder,..) klare und starke SCHIEDsGerichte aufzubauen, damit der Erfinder der Kresse selbst mit seinem Produkt beschenkt wird und kein SM macht.

    Hey, mir fällt noch ne Menge mehr ein – vor allem bezüglich von Ehrlichkeit, Gesundem MenschenVerstand und so – aber erst mal reichts.
    Oder?

  4. Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag dazu. Auch, dass es nicht ein x-beliebiger Blogeintrag gegen Johannes auf persönlicher Ebene wurde. Ich stieß erst im Frühjahr 2011 in den KV Frankfurt hinzu und war mir der Vergangenheit des polGF nicht wirklich bewusst. Ich habe auf verschiedenen Podien mal Andi Popp wahrgenommen, als ich mich ab 2009 für die Piraten als Freibeuter interessierte, aber wirklich interessiert hat es mich damals nicht.

    Deshalb ist Dein Beitrag sehr wertvoll für alle, die nicht die Geschichte kennen. Deine Modelle finden bei mir nicht wirklich Zustimmung, kann aber leider auch nichts konstruktiveres oder anderes beitragen (weil mir im Moment dazu die Zeit fehlt). Aber zu dem restlichen Blogbeitrag von Dir kann ich nur zustimmen, auch was Johannes Rolle angeht. Und auch, dass er zurücktreten sollte. Wer anstelle von ihm gewählt werden sollte, weiß ich nicht, ich hoffe wir würden dann besser oder konsequenter wählen und auch bei Parteitagen klarer die Rolle eines polGF klären/kennzeichnen. Und für den Nachfolger, die Nachfolgerin wäre es eine Mammutaufgabe.

    Ach und möge die Macht mit uns sein – die Macht, wieder mehr an uns zu glauben, zu denken, zu handeln,….

  5. Ich hätte da noch zwei Vorschläge:

    1.) Wieso lässt man zu Personalwahlen beim BPT nicht Teams antreten? Bestehend aus 1 Vorsitzendem, 2 stellvertretenden Vorsitzenden, 1 PolGF und 4 Beisitzern? Hätte den Vorteil, dass sich die jeweiligen Kandidaten im Vorfeld bereits verständigt und abgesprochen hätten und damit essentieller Streit während der Amtszeit zumindest eher unwahrscheinlich wird. Außerdem hätten die Beisitzer in diesem Modell bereits klare Aufgabenbereiche vor der möglichen Wahl zugewiesen bekommen und es entsteht keine Unklarheit an der Parteibasis. Ob das ganze konform geht mit dem Parteiengesetz, weiß ich allerdings nicht…

    2.) Wieso schreibt man nicht in die Satzung, dass es für Mitglieder des BuVos möglich ist, ein einzelnes BuVo-Mitglied aus dem Amt zu entlassen? Ich schlage ein nötiges Quorum von 80 Prozent vor, dann wären 6 Personen in einem 7-köpfigen Vorstand und 8 Personen in einem 9-köpfigen Vorstand von Nöten, um zu dieser ultima ratio zu greifen. Das Quorum skaliert in einem hypothetischen Vorstand von 5 bis 9 Personen. Ob das rechtlich möglich ist, weiß ich allerdings ebensowenig…

  6. Georg v. Boroviczeny

    Guter Artikel, sauber durchdacht, +1!
    und JA, Johannes sollte sich zurückziehen, völlig unabhängig von irgendwelchen ‘Schuld’fragen (wenn überhaupt: wir alle sind dafür verantwortlich, schließlich haben wir alle diesen BuVo gewählt; meist ist aber die Nase des anderen viel näher, denn die eigene)
    §9a, (2) der Satzung sagt ganz klar, dass der BuVo die Partei nach innen UND AUSSEN vertritt. Das ist ein klar politischer Auftrag, auch wenn das viele nicht hören mögen. Es ist somit auch vollkommen legitim, wenn die Medien sich an den BuVo wenden, um Positionen der Partei abzufragen.
    Das MÜSSEN wir bei den nächsten Wahlen (2013/2) mal deutlich vor Augen haben und uns auch dieser Frage stellen

  7. Ich kreide Johannes hauptsächlich an, dass er bei jedem seiner Auftritte immer nur seine Person und nicht unsere Themen in den Mittelpunkt gerückt hat. Dies begann er mit seinem Fernsehauftritt ohne Socken und wurde bei der Diskussion um seine ALG 2 Bezüge weitergeführt. Das hat nichts mit einer formalen Aufgabendefinition für einen PolGF zu tun, sondern ist sein eigenes, ganz persönliches “Werk”.
    Er hat überhaupt nicht verstanden (wollte nicht/konnte nicht, ist egal), dass Menschen, die extrem aus der Rolle fallen, automatisch die Aufmerksamkeit der Medien und damit der Öffentlichkeit auf sich selbst ziehen und nicht auf das was sie vertreten.
    Johannes hat vollständig darin versagt unser Programm und unsere Themen unabhängig von seiner Person bekannt zu machen. Die Leute assozieren zur Piratenpartei nun “Johannes Ponader ohne Socken und mit ALG 2” und nicht “vollständiges Programm”.
    Erschreckend finde ich, dass er das nicht schon längst selbst erkannt hat und als Konsequenz daraus zurückgetreten ist.
    Er hat dadurch der Partei und maximal geschadet und die viele tolle Arbeit engagierter Piraten zunichte gemacht.

  8. Eine personelle Trennung von innerparteilicher Organisation und medialer Präsentation halte ich für ungeeignet und an unseren Idealen vorbeigehend. Ich zumindest will weder BuVo-Mitglieder als bessere Pressesprecher noch mundtote Verwaltungsämtler, die sich nicht zu unserem beschlossenen Programm äußern dürfen bzw. Talkshow-Einladungen ablehnen sollen nur weil vor ihrem Namen das falsche Kürzel steht.

  9. Auch der PolGF soll als Teil des verwaltenden Vorstands nur nach Innen wirken. Das war eigentlich ganz klar. So hatte ich die Bewerbungsrede von Johannes Ponader auch verstanden.

  10. Froit mich, dass wir für dich ein Positivbeispiel sind! 🙂 Nitpick trotzdem: Piratenpartei Österreich*s*. 😉

    • Hi Lukas,
      wie wäre es denn mal von eurer Seite mit einem umfangreichen Blogpost über die Erfahrungen Österreichs nach 10 Monaten verbindlicher LiquidFeedback-Nutzung? Am besten noch vor der SMV-Con im März 😉
      Gruß in den Süden,
      Fabio

      • Ich schau mal, ob ich wen find, der das macht (wahrscheinlich lava ;)) – besserst du dafür unseren Parteinamen im Blogposting aus? ::grins::

  11. Das Gedächtnisprotokoll stimmt und wohl die meisten im Bund aktiven Piraten hätten die Fragen zu dem Aufgaben des PolGF schnell beantworten können. Er wirkte immer nach innen. Ausnahmen waren eben Ausnahmen, die Du selbst ausufernd darstellst.

    Eben genau deshalb war Weisband wie auch Ponader eine Niete. Nach innen wurde praktisch garnicht gewirkt. Zumindest nicht sichtbar geschweige denn spürbar.

    Was Ponaders Rücktritt angeht, ist dieser “nur deshalb notwendig” weil Ponader sich nicht an Abmachungen hält. Wenn Absprachen innerhalb des BuVo von einer einzelnen Personalie wiederholt konstant torpediert werden, dann muss diese Person irgendwann gehen. Pers. würde es mir auch reichen wenn er sein Amt ruhen lässt und Schauspielern übt (Rosen züchten passt irgendwie nicht), aber ich glaube kaum das er dies durchhalten kann, weil sein Drang zur Selbstdarstellung (wie ungewöhnlich für seinen Schauspieler….) einfach zu stark ist. Als dritte Option wäre es natürlich wenn er URPLÖTZLICH nach Innen konsequent im Interesse der Partei (und nicht seiner Lieblingsthemen!=Programme) agieren würde. Gibt ja bekanntermaßen genug zu tun.

    Im Übrigen könnte der BuVo notfalls unter Zuhilfennahme des Bundesschiedsgerichts Ponader aus dem Amt entfernen (Ordnungsmaßnahme). Das ginge auch ohne einen Personal-Parteitag.

    Was ich außerdem hauptsächlich in dem Artikel vermisse ist die Verantwortung und die Ursache warum solche Personalien in den BuVo kommen. Die Basis wählt aber die Basis befragt nicht clever, weil Meinungsführer den Schwerpunkt auf öberflächliche populistische 0815 Fragen lenken (Magst Du LQFB? Bist Du gegen Rechts? Was denkst Du zur Gender-Sprech?) anstatt ernsthafterer Fragen die je nach Selbstvorstellung und angestrebten Amt mehr Sinn machen würden.

    Fazit: PolGF war immer nach innen wirkend und sollte es auch sein, weil sonst ein Funktionsvakuum nach Innen existiert. Und wo ein Vakuum existiert bilden sich informelle Strukturen welche die Deutungshoheit an sich reissen.

    Simon

  12. Meine Sicht:
    Unabhängig davon, wessen Aufgabe das im Buvo ist, wurde die Weiterentwicklung und Unterstützung innerparteilicher Willensbildungsprozesse und Kommunikation über Jahre vernachlässigt. Das ist bis 2009, als der Durchbruch seinen Lauf nahm, nicht so dramatisch gewesen, wo wir damals doch nur eine Hand voll Piraten waren, aber von da an immer schwerer in’s Gewicht gefallen.
    Wenn nicht der PolGF sich jener Aufgabe schwerpunktmäßig annimmt, wer denn dann ?
    Ich mach jene Funktionsperson für diese Aufgabe verantwortlich, aber letztendlich ist es mir egal, wer im Buvo das macht; Hauptsache es wird gemacht.
    Es schmerzt, die Defizite in diesen Bereichen zu betrachten.
    Neben den durch diesen Blogpost angeführten reihen sich noch weitere ein:
    Wichtige Diskussionen wie die zur Bundeskiste, zur Vernetzung von Basis und Fraktion, oder zur sMV fahren regelmäßig rauschhaft gegen die Wand, werden gar nicht erst angefangen oder versiegen im Sand.
    Konflikte kochen mangels Informationsvermittlung unnötig groß auf – hier sei auf LQFB und die Rolle der Gruppe “Saftige Kumquat” verwiesen, die daran arbeitet, das Superdelegierten-Problem zu lösen – die linke Hand weiß nicht was die rechte macht; AGs, die sich wichtiger Schlüsselthemen der Piraten annehmen, bleiben ungeachtet; die AG Urheberrecht – inaktiv durch Zer-Trollung, ohne Aussichten auf Besserung; Kampagnen-Förderung seitens des Buvos = Null; auch nur vertieftes Wissen um eDemocracy, geschweige denn den Willen und Tatendrang, dafür zu sorgen, dass wir uns da effektiv weiterentwickeln, etwa durch ein Entwicklung eines Informationssystems und Diskussionssystems – Fehlanzeige; wenn Unbedarfte virtuell auf uns zukommen, rennen sie schreiend aus dem Forum raus, dass zudem auch überhaupt nicht weiterentwickelt wird, anstatt dass man darauf hinwirkt, dass das Forum konstruktiver aufgestellt wird und weiterentwickelt wird; Mumble-Kalender ? “virtueller Infopoint in Analogie zu den Infopoints im Kaufhaus” ? Wiki weiterentwickeln ? Dampf machen, dass endlich das LQFB-Redesign “BombayCrushed” auf die LQFB-Bundesinstanz raufgebügelt wird und Landes-Instanzen in die Bundes-Instanz integriert werden ? Wenigstens dahingehenden Informationsfluss ?

    Das liegt alles brach, und die Konsequenzen dämmern uns allmählig:
    Ohnmacht, Zersplitterung, Destruktivität, Klüngelei, Intransparenz, undemokratische Machtkonzentrationen.

    Wir PIRATEN tragen so ein Bild von überlegen-fortschrittlicher, demokratischer Willensbildungsfindung und Bürgerbeteiligung vor uns her. Diesem Bild werden wir immer weniger gerecht; es bröckelt hinter der Fassade, und zwar gewaltig. Leider erkennen das zu wenige und ziehen Konsequenzen daraus…

    Viele Grüße,
    / aka Oliver

  13. und noch was:
    Buvo-Mitglieder, die sich profilieren oder Profilierungsbedarf haben, sind im Buvo der Piratenpartei vollkommen deplaziert.

  14. Der Nichtrücktritt ist genauso schwach, wie die ständige unerfüllte Forderung nach diesem Rücktritt. Johannes hatte eine gute Außenwirkung. Allerdings wurde dies durch fragwürdige Kanäle im Laufe eines wahrscheinlich durchdachten Gesamtangriffs negiert. Überlegt doch mal! Die Kurve zeigte auf +10% als sich Leute über Äußerlichkeiten eines TV Auftritts(!) Gedanken machten. Völlig unsinnig und aus meiner Sicht nicht so einfach zu reparieren, was genauso durch die politische Konkurrenz beabsichtigt war.

  15. Das einzige Profil an das ein BuVo Mitglied arbeiten sollte, ist wenn überhaupt das Profil der Partei. Dieses gilt es zu schärfen und die Alleinstellungsmerkmale und die Identiät zu schärfen. Etwas das in den letzten drei Jahren STRÄFLICH vernachlässigt wurde.

    Die Grünen danken es uns so sehr dass sie uns sogar bereits massiv UBoote schicken. 😀

  16. Vielen Dank für diese unaufgeregte klare Analyse.

  17. Unaufgeregt und sachlich schreibst Du, dafür kennen und schätzen Dich einige. Aber der historische Abriss beleuchtet neben dem Dilemma, dass Strukturen der Partei nicht mit Mitgliederzahl und politischer Bedeutung organisch mitwuchsen, sondern eher operativ bzw. einzelfallorientiert und das unzureichend modifiziert wurden, auch so genannte “Fehler” des aktuellen PGF (durchnummeriert 1.-3.) und eine Schlussfolgerung “muss auf jeden Fall zurücktreten”. Das, denke ich, ist kaum besonders zielführend. Mit weiteren Argumentationslinien kann man weitere 10 oder auch 32 Fehler der übrigen BuVo’s aufzählen, und bei dem ein oder anderen reicht es aus Sicht des ein oder anderen sicher auch zur Feststellung “dieser und jener muss jedenfalls (auch) zurücktreten” bis hin zur vereinzelt vernommenen Maximalforderung “alle abtreten, alles auf Neuanfang”.
    Wieder andere sagen, reisst euch zusammen, macht alle weiter, ihr seid erwachsen, Fehler der Vergangenheit sind uninteressant, Schwamm drüber, ihr müsst nach vorne blicken und endlich die anstetehdenn Aufgaben angehen. Ganz wenige sagen “weiter so”. Das sollte allerdings schon alarmieren.

    Fehlerzuordnung an einzelne Personen bringt generell, egal ob sie JP oder Lieschen Müller heißen, höflich gesagt, nicht so richtig weiter. Denn wie Du richtig analysiert hast, sind Gründe und Ursachen immer auch strukturell bedingt, und davon abhängig, wie die Gruppe (also der BuVo) nach innen und aussen agiert. Klar, das ist die Summe der einzelnen Teile, also Interaktion von Einzelpersonen, aber diese bedingt sich doch gegenseitig, es gibt Interferenzen, politische Differenzen, Machtasymmetrien und Machtkämpfe, und eine der Lebenslügen der Piratenpartei, die eher dem Prinzip Hoffnung folgt (diese stirbt bekanntlich zuletzt), ist, dass der BuVo rein verwaltend tätig sein soll und politische Meinungs- und die Willensbildung der Partei im LQFB und in Crews oder Squads entsteht, und dann auf Parteitagen festgezurrt wird, im Konsensfalls mit glänzenden “Pjönjang”-Mehrheiten und im Dispensfall mit Kampfabstimmungen. Diese Lebenslüge bröckelt, sie bröckelt sogar gewaltig.

    Natürlich ist der BuVo NICHT rein verwaltend, sondern er gibt zwischen den Parteitagen die Linie vor und die Richtung, in die die Reise geht, so lange seine Legitimation ausreichend vorhanden ist, und solange nicht Nebenzentren der Macht, häufig in den berühmt-berüchtigten Hinterzimmern bzw. Wohnküchen, mehr Macht als der Buvo konzentrieren und damit diesen zu einer “lahmen Ente” machen. Das kann hin zur kompletten Handlungsunfähigkeit reichen (BuVo-Beschlüsse werden nicht mehr umgesetzt, unterlaufen, nicht ernstgenommen usw..). Es ist auch möglich, dass nur lose oder gar keine Hinterzimmerstrukturen wirken, und der BuVo, wegen innerer Machtkämpfe, sich selbst lähmt. Eine Mischung aus beiden Ursachen, die ineinander verschränkt sein können (m.a.W. auch jedes BuVo-Mitglied hat seinen sogenannten Dunstkreis, bis hin zu ggf. vorhandenen ‘Hinterzimmern’. Manchmal haben diese Dunstkreise Namen, manchmal nicht. Mit Transparenz hat das, auch dazu gibt es den Unmut der Basis, oft nicht so sehr viel zu tun.

    Nun zu möglichen Lösungsansätzen: Köpfe austauschen in der Hoffnung, dann wird alles besser, ist eine trügerische Idee. Neue Besen kehren zwar gut, aber wir erinneren uns, auch für JP war anfangs die Stimmung gut, beinahe euphorisch, auch Julia war zwar umstritten, aber löste auch viel Begeisterung aus, Credits hatten also nach der Wahl in NMS alle BuVo’s. Die Stimmung war extern super, und es ging im Monatstakt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg.
    In Deiner Analyse stimme ich Dir zu, interne Strukturfragen wurden vernachlässigt. Aber war das je anders? Auf der Welle des Erfolgs kombiniert mit der Lebenslüge des “rein verwaltenden” BuVo (trifftt tatsächlich tendenziell auf einen BuVo zu, nämlich den/die Schatzmeister/in), konnte man die Augen dafür folgenlos verschließen.

    In der Konsequenz sehe ich einige Schlussfolgerungen:

    Der derzeitige BuVo ist gewählt, und also formal “in power”, aber eben auch in der Verantwortung. Um die selbstzerstörerischen Tendenzen im BuVo aufzuhalten oder, ähnlich wie die “Panikbrecher” in Kinos (das sind diese runden breiten Betonsäulen vor den Fluchtwegeausgängen nach draussen), einen “cooling down”-Prozess einzuleiten, müsste man sich ganz bewußt INTERN zusammensetzen, je nach noch vorhandener Kommunikationsfähigkeit erforderlichenfalls mit einem externen Moderator oder Mediator, und sich im übertragenen Sinne “die Karten legen”.
    Also die Frage klären “wo stehen wir, was sind die Lösungerfordernisse, wie ist die Erwartungshaltung, welche Optionen gibt es, wo wollen wir hin”
    In dieser Sitzung werden keine (öffentlichen) Entscheidungen getroffen, sondern dort werden (nichtöffentlich) die internen Konfliktlinien analysiert, sich also diese bewusst gemacht, um daraus einen Katalog von möglichen strukturellen Maßnahmen zu erarbeiten. Unter Beachtung unseres Trasparenzgebots werden auf solchen, nichtöffentlichen Beratungen selbstverständlich keine Beschlüsse gefasst, und keine Richtungsentscheidungen vorgenommen. So viel Vertrauen muß die Basis in diesen Vorstand haben.
    Weiterhin folgt aus dem Transparenzgebot, dass im Anschluss an diese interne Konfilktanalyse, die wir alle von aussen nicht leisten können, da wir nicht der BuVo sind, die öffentlich ausgehandelten weiteren Zeit- und Maßnahmekataloge stehen, das kann bis zu Vorschlägen für eine neu zu beschließende Struktur in Neumarkt gehen, falls erforderlich.
    Dabei wird auch nicht ‘alles neu’ gemacht werden, und einen großen Raum werden Wahlkampf und Schärfung der essenztiellen politischen Positionen bilden (“Programmparteitag mit Satzungsslot” – und nicht umgekehrt), aber ohne den zügigen internen Klärungsprozess im BuVo VOR Eintritt in die zunehmend heißere Phase des Wahlkampfs.
    Selbstverständlich ist allen BuVo-Mitgliedern zwischenzeitlich zu raten, ihre Person den Sachfragen hintanzustellen und dies auch bei allen anderen Kollegen so zu handhaben, aber wie überall auf der Welt haben wir es mit Menschen zu tun. Und im alten Adenauer-Spruch steckt durchaus Wahrheit, als er sagte “Man muß die Menschen nehmen wie sie sind, man kriegt keine anderen”.

  18. sorry, der drittletzte Satz war unvollständig, er müßte heißen:

    Dabei wird auch nicht ‘alles neu’ gemacht werden, und einen großen Raum werden Wahlkampf und Schärfung der essenztiellen politischen Positionen bilden (“Programmparteitag mit Satzungsslot” – und nicht umgekehrt), aber ohne den zügigen internen Klärungsprozess im BuVo VOR Eintritt in die zunehmend heißere Phase des Wahlkampfs wird es nicht funktionieren können.

  19. Lieber Fabio,

    Du hast mit “Dilemma”… sowie ner klaren Ansage “Rücktritt” einerseits echte verbal-moralische “Fakten” geschaffen, andererseits das als DiskussionsThesa auch ne Frage gestellt.
    Die Frage will ich jetzt ganz klar beantworten:

    1. 2/3 der (ehemaligen) Piraten-Wähler sind für BGE & Ponader;
    (Siehe Wahlergebnisse, Umfragen,..)

    2. Das restliche Drittel wünscht sich keine AggroAssi-Aussagen wie von Schmidtlepp… und die 20-30% Bevölkerung mit BurnOut & StressProblemen liiiieben eher Flauscheria als Falschaussagen – also auch eher Ponader.

    3. Warum die Ego-“LauerFaces” und KlassenClown-Aussagen von ihm johlend von einer Piraten-AmtsTräger-InGroup beklatscht wurden,
    aber die extrem erfolgreiche Eroberung der Meinungs- und DefinitionsMacht durch Ponader im Interesse einer BefehlsBürokratie-Bourgeoisie (Augstein, FAZ, Springer) plattmachen ließen oder selbst platt machten.

    4. Wirklich wichtig wäre, wenn Du mal sagst, was die PiratenPartei ist – ob ein SprungBett von SchwarzBlond & SchmidtLepp.. oder ob die auch das INTERNET FÜR MENSCHEN gestalten kann.
    (EGO-message Extremisten gibts schon genug – wie können Leute anderen so ruhig zuhören, wie Du es im Rahmen Deiner Möglichkeiten tust?)

    5. Was immer sonst in der Gesellschaft an GfK (GewaltFreie Kommunikation) oder was auch immer herumschwirrt – wird von Ponader gut dargestellt.
    Wäre also gut, Ponader wird Vize-BuVo, SuddenGrey BuVo, PieJae PolGF.

    6. Findeste, (nicht nur) Vorstände sollten mehr Training in Denken, Rhethorik, Internet, Kommunikation, Sinnlichkeit, Gesetz, Moral, Kreativität,.. bekommen?

    Mein GesamtFazit: wäre toll, die Piraten hätten 2009 ne (Internet) PiratenUni gegründet – so ne Art http://www.Lerntag.de.
    Bitte, was denkst Du so?

  20. Fabio, keiner bringt es auf dem Punkt wie du. Danke.

  21. Du selbst hattest schon für “Flügel” plädiert 😉 Und Ponader repräsentiert eben auch einen Flügel. Insofern wäre dessen Ausscheiden jetzt sogar eskalierend.

    Nein: Es kommt darauf an, dass die Piraten deren interne und nach außen gerichtete Kommunikation organisieren und für sich Konfliktlösungsstrategien (auch im Netz) finden.

    Sonst wird man ohne jedes Ergebnis weiterhin Köpfe austauschen und weder zu gemeinsam vertretenen Inhalten noch zu weiteren Erfolgen kommen.

    • Hallo Jörg,

      “Du selbst hattest schon für “Flügel” plädiert”

      Quelle? Nein, das habe ich noch nie. Ich halte es für eine valide Möglichkeit, die gewisse Vor- und Nachteile hat. Aber bevor man so etwas gründet oder etabliert gälte es eh erst zu definieren, was man unter Flügeln überhaupt versteht.

      “Und Ponader repräsentiert eben auch einen Flügel. Insofern wäre dessen Ausscheiden jetzt sogar eskalierend.”

      Das denke ich nicht. Natürlich gibt es im BuVo unterschiedliche Personen. Insofern kann man auch sagen, dass die Partei durch die Vielfalt der Charaktere im BuVo gewinnt und repräsentiert wird. Und dass bei jedem Rücktritt Vielfalt verloren geht und und sich weniger repräsentiert fühlen. Aber darauf zu bestehen, dass die Legitimation der Existenz in einem Gremium komplett darauf basiert, dass man Parteimitglieder und Wähler anspricht und repräsentiert, die die anderen Gremiumsmitglieder nicht ansprechen, lässt viele andere Faktoren komplett außer Acht. Und genau um diese anderen Faktoren ging es ja im Blogpost.

      “Nein: Es kommt darauf an, dass die Piraten deren interne und nach außen gerichtete Kommunikation organisieren und für sich Konfliktlösungsstrategien (auch im Netz) finden.”

      100%-Zustimmung. Nur ist das in der momentanen Situation genauso hilfreich wie “Es müsste alles besser werden!” Es ist einfach zu unwahrscheinlich, um darauf zu setzen.

      Viele Grüße,
      Fabio

  22. Habe Herrn Ponader immer nur als egozentrischen Selbstdarsteller wahrgenommen. Welcher Teufel hat die Piraten geritten, ihn zum Geschäftsführer zu machen? In den so verpönten anderen Parteien dürfte der nicht einmal eigenverantwortlich nach einer Vorstandssitzung die Aschenbecher leeren.

  23. Hallo Fabio,

    wie ich dir grade schon persönlich gesagt habe, fand ich diesen Artikel in mehrfacher Hinsicht sehr gut.
    Erstens geht er recht sachlich durch die Geschichte des PolGF in der Piratenpartei, was hilft, besser zu verstehen, wie wir als Partei in diese Situation gekommen sind. Zum Anderen führst du die Diskussion nicht einfach nur über Namen, sondern über die fehlende “Stellenbeschreibung” und eröffnest so einen neuen Blickwinkel.

    Mich hat das zum Nachdenken gebracht und mich dazu angeregt über Lösungen aus diesem “Dilemma” nachzudenken.

    Vielen Dank dafür!

    LG niqui

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