Welchen Feminismus brauchen wir?


Folgenloses Verbalduett

Als Alice Schwarzer Bundesfamilienministerin Kristina Schröder im November 2010 in einem offenen Brief als inkompetente und unempathische Fehlbesetzung bezeichnete, konnte diese sich eigentlich schon gratulieren lassen. Denn anstatt dass sich die Öffentlichkeit nun mit den Details von Schröders in einem vorausgegangenen Spiegel-Interview getätigten Aussagen auseinandersetzte, lag der Fokus nun auf der Kritik der einstigen Ikone der Frauenbewegung. Damit hatte die übliche Empörungs- und Profilierungsmaschinerie zwischen Medien und Politik reibungslos funktioniert. Schröder konnte sich als pragmatischer und moderner Widerpart zur Radikalfeministin Schwarzer profilieren. Die Patriarchin Schwarzer widerum konnte gegen die “Stammtischparolen” der in der jungen Union sozialisierten schwarz-gelben Ministerin polemisieren und zugleich ihre Macht demonstrieren, indem sie in der Debatte ein Maximum an Aufmerksamkeit auf sich zog.

Auf der Strecke blieben dabei die Inhalte und alle anderen Protagonistinnin, die der Diskussion etwas beisteuern hätten können. Im Vordergrund standen nun vor allem die Attacken Schröders gegen Alice Schwarzers einst geäußerte Ablehnung von Sex zwischen Mann und Frau, da dieser grundsätzlich die Unterwerfung der Frau beinhalte. Umso umstrittener diese leicht angreifbaren Maximalforderungen einzelner Vertreter der frühen feministischen Bewegung sind, desto leichter durchschaubar wirkt der Seitenhieb Schröders auf die Patriarchin als Einladung zum folgenlosen Verbal-Duett der beiden Damen anstatt einer konstruktiven Diskussion im größeren Rahmen.

Mangel an männlichen Rollenbildern

Dabei hatten es andere Sätze Schröders durchaus in sich und verdienten mehr als nur den platten Vorwurf, unter der neuen Bundesfrauenministerin habe sich – so Schwarzer – “weder die Lage der Familien verbessert noch ist die Gleichberechtigung der Frau vorangekommen”. Mit der Ablehnung einer gesetzlich verankerten Frauenquote in Unternehmen und der Konstatierung einer weiblichen Mitschuld an den Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern kann sich Schröder eng an die Romanautorin Bascha Mika berufen. Diese konstatiert in ihrem vielbeachteten Buch “Die Feigheit der Frauen” (Bertelsmann-Verlag, 2011) einen Mangel an Durchsetzungswillen bei jungen Frauen, die Errungenschaften der Emanzipation zu nutzen und auszubauen. Nach Mika sind es vor allem die Frauen, die die klassischen Rollenbilder zwar vordergründig ablehnen, dann aber in der Folge die für sie bequemsten Entscheidungen treffen, bis sie sich zuletzt doch in dem von der Gesellschaft für sie bereit gestellten Bild einrichten und damit ihre Chance zur wahren Emanzipation verpassen.

Mit ihrer Kritik an einem Mangel an männlichen Rollenbildern in Grundschulen und Kindergärten trifft Schröder wiederum den Zahn der Zeit derjenigen, die versuchen, die Dekonstruktion des weiblichen Rollenbildes nicht durch eine Zementierung des männlichen Bildes marginalisieren zu lassen. Ähnliches gilt auch für ihre Betonung, dass familienorientierte Arbeitsplatzpolitik nicht nur dem Kinderwunsch junger Frauen, sondern auch Männern zugute komme. In Zeiten der Zweiverdienerfamilie und eines eklatanten Kitaplatzmangels im Westen der Republik scheint dies durchaus geboten. Zwar macht sie sich dadurch angreifbar für diejenigen, die ihr vorwerfen, neoliberale Klientelspolitik zu betreiben, da sie den Anforderungen des Kapitalismus an den modernen, flexiblen Arbeitnehmer nichts entgegensetze. Allerdings wird diese Kritik nur vereinzelt geäußert. Die Zeiten früher femnistischer Sozialistinnen wie Rosa Luxemburg, die erst über den Umweg der auch damals schon männlich dominierten Kapitalismuskritisk zu ihrem feministischen Weltbild gelangte, scheinen vorbei.

Die “Alpha-Mädchen” greifen Schwarzer an

Dass man an Schwarzer nicht vorbeikommt, wenn man über Feminismus diskutiert, wird auch von anderen Feministinnen immer wieder bemerkt. In dem Buch “Wir Alpha-Mädchen” (Hoffmann und Campe, 2008) versuchten sich einige Bloggerinnen an einer Skizzierung eines modernen Feminismus. Sie rechneten scharf ab mit dem Radikalfeminismus früherer Zeiten und kritisierten Schwarzers paternalistische Einstellung gegenüber Kopftüchern, Sex und Pornografie. Über das Blog maedchenmannschaft.net versuchten sie dem Diskurs eine Wendung zu geben.

Nach vielen Blogeinträgen, Artikeln und Interviews zum Thema zierte eine von ihnen im Frühjahr 2011 den Titel der EMMA-Ausgabe zusammen mit Autorinnen des Missy Magazins. Überpräsent in der Mitte des Bildes ist – wie könnte es auch anders sein? – Alice Schwarzer. In großen Lettern prangt darunter “Kein Bock auf Spaltung”.

Dominanz durch Feminopopulismus

Was von der Teilnehmerin des Treffens und maedchenmannschaft-Autorin Katrin Rönicke als gegenseitiges Beschnuppern und ein gemeinsames Statement, dass der Krieg “Jung gegen Alt” beigelegt sei, bewertet wurde, wird von anderen als eine Art erneute Kapitulation gewertet. Taz-Journalistin und Feministin Julia Seeliger wirft Schwarzer Feminopopulismus vor. Sie schreibt: “[…] wer Schwarzer unterstützt, unterstützt auch diese entleerte, auf Medienfeedback – und nicht auf Emanzipation – orientierte Politik.” In der TAZ legt sie nach und kritisiert, Schwarzer habe doch “den Medienstreit zwischen den Generationen fröhlich mit befeuert”.

Populismus wurde Schwarzer auch im Fall Kachelmann vorgeworfen. Dort hatte sie für die BILD berichtet. Kachelmann stand für sie von Anfang an als prototypischer Täter fest. Dabei bezog sie sich aber kaum auf die tatsächliche Faktenlage, sondern führte moralische Argumente an und warf ihm vor, Frauen enttäuscht zu haben und auf Sexspielchen zu stehen. In ihrem Blog schrieb Schwarzer: “Vielleicht geht Ihnen aufgrund Ihrer Sexualpraktiken aber auch alles durcheinander. Vielleicht wissen Sie gar nicht, dass das kein Spielchen ist, wenn eine Frau im Ernstfall Nein sagt, sondern Ernst. Und übrigens: Auch nette Männer vergewaltigen manchmal, Kollege Kachelmann.”

Wie wichtig es für Schwarzer ist, die Debatte zu dominieren und der erste Ansprechpartner für alle Fragen rund um den Begriff Feminismus zu bleiben, sieht man auch an ihrer eigenen Geschichte. Die Mitgründerin und Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma hatte im Frühjahr 2008 die Chefredaktion von Emma an die Fernsehjournalistin und Kolumnistin Lisa Ortgies übergeben. Doch bereits im Mai 2008, nur acht Wochen nach der Übernahme, musste Ortgies wieder ausscheiden. Schwarzer führte die Chefredaktion selbst weiter. Ortgies selbst äußerte später, sie habe ihre Ideen für die Zeitschrift nicht durchsetzen können. “Schwarzer hatte”, so vermutete es das Magazin Der Spiegel “weiterhin das Tagesgeschäft dominiert und so einen möglichen Generationswechsel und Modernisierungskurs zum Scheitern gebracht.”

Fazit: Eine Neudefinition ist unumgänglich

Der Feminismus leidet heutzutage unter den gleichen Erscheinungen, wie andere Politikfelder auch: Die Ungerechtigkeit ist auf dem Papier abgeschafft, in der Realität aber geblieben. Die Fragen sind komplexer geworden. Und die Pfründe der Protagonisten werden verbissener verteidigt. Es scheint allen klar, dass der Feminismus dringend eine präsentierbare und wahrnehmbare Neudefinition benötigt; nicht zuletzt, um zu verhindern, dass das Bundesfamilienministerium diese selbst vornimmt und dabei diejenigen außen vorlässt, die sich seit Jahren darum bemühen. Schwarzers polarisierender Dogmatismus ist dabei eher hinderlich, zumal sie mittlerweile als Feindbild ihren Gegnern mehr bringt als ihren potentiellen Verbündeten als Vorbild. Wie genau diese Modernisierung aussehen könnte und wer die neuen Protagonisten sein werden, bleibt weiterhin unklar.


Anmerkung: Eine stark gekürzte Version dieses Artikels findet sich im aktuellen Straßenfeger mit dem Titel “Frauen”.

6 Comments

6 Comments

  1. Der @enigma424 fragt: "Welchen Feminismus brauchen wir?" http://bit.ly/kvnFsO Volle Zustimmung und ich bin neidisch auf die schöne schreibe!

  2. Welchen Feminismus brauchen wir? http://bit.ly/lNdYf0 lesenswerter Beitrag von @Enigma424 über die Rolle Alice Schwarzers

  3. @Im übrigen bin ich der Meinung, dass alle Wirtschaftsposten und Managerposten sofort mit Frauen besetzt werden sollten…
    Schafft die Männer in Machtpositionen ab!

    Dann können wir Männer endlich menschenwürdige Arbeit machen: Pädagogik, die Keimbahn der Frauen stabil halten (weil Parthenogenese bei Säugern nicht funktioniert), Kunst, Wissenschaft und Philosophie betreiben und zusammen vor dem Haus eine Pfeife rauchen…

    Sollen doch die Frauen diese hochbezahlte Drecksarbeit überall machen (Wirtschaft, Politik, Juristerei, Medizin etc.), die wir Männer endlich nicht mehr machen wollen!!!

    In Afrika sind es ja die Frauen, die die ganze Arbeit machen (Landwirtschaft, Politik, Juristerei, Wirtschaft etc.).

    Lasst uns Männer endlich Männer sein!!! Frauen in Führungspositionen überall!!!

  4. Im übrigen bin ich der Meinung, dass sofort überall alle Männer aus den Positionen in der Wirtschaft, Politik und Juristerei entfernt und durch Frauen ersetzt werden sollen.

    Dann können wir Männer endlich menschenwürdige Arbeit machen: Pädagogik, Kunst, Wissenschaft, und die Keimbahn der Frauen stabil halten (weil Parthenogenese bei Säugern nicht funktioniert).

    Den Rest — die hochbezahlte Drecksarbeit überall (Politik, Wirtschaft, Juristerei, etc.) — sollen doch die Frauen machen, so wie in Afrika! Dort arbeiten ja die Frauen in Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik, etc.

    Dann können wir Männer endlich unter uns sein und vor dem Haus Pfeife rauchen…

    Frauen sofort in Führungspositionen überall!!!!!!

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